Quelle: 350 Sorten von Backwaren. Moskau/Sankt Petersburg 1940
Weizenbrot mit Sauerteig ist in Russland auch nicht ungewöhnlich, für solche Brote kommt jedoch eine sehr eigenartige Technologie zum Einsatz. Diese ermöglicht die Herstellung von Weizenbroten mit Sauerteig ohne Backhefezugabe. Diese Technologie heißt - "Flüssige Hefe".
Flüssige Hefe
Was ist "flüssige Hefe"? Sie ist ein Sauerteig der durch eine Vermehrung von Hefepilzen und Milchsäurebakterien in einem Mehl-Kochstück mit sehr hoher Teigausbeute (400) hergestellt wird.
Eine extrem hohe TA und verzuckertes Mehl-Kochstück begünstigen die Hefevermehrung und helfen den gesamten Säuregehalt beim Weizenbrotteig im erforderlichen Ramen zu halten ohne Backhefe zu verwenden.
Wie wird "flüssige Hefe" gemacht? Man bereitet zuerst ein verzuckertes Kochstück (Malzstück) aus 5% der gesamten Mehlmenge zu. Das Kochstück wird aus dem gleichem Mehl Typ hergestellt wie das Brot. Ich habe ein Brot aus 1 Kg Weizenmehl Typ 1050 gebacken.
Mehlkochstück (Malzstück)
50 g. Weizenmehl Typ 1050
150 ml (100°C) Wasser10 g. Enzymaktives Malz (Gerstenmalz oder Roggenmalz gemahlen oder Malzmehl)
TA ~400
Das Mehl in 2 Anläufen mit bis zum Siedepunkt gekochtem Wasser übergießen und dabei gut umrühren. Malz dazugeben und noch mal gut umrühren. Anschließend 3 Std. bei 63-65°C im Backofen verzuckern lassen.
Man kann ein Kochstück auch ohne Malz herstellen, in diesem Fall werden die Enzyme aus dem Mehl selbst zu Arbeit gezwungen.
50 g. Weizenmehl Typ 1050
150 ml (100°C) WasserTA 400
40g Mehl mit gekochtem Wasser in 2 Anläufen übergießen und dabei gut Umrühren. Noch 10g Mehl dazugeben und noch mal gut umrühren. Anschließend 3 Std. bei 63-65°C im Backofen verzuckern lassen. Da das Mehl generell weniger enzymaktiv ist als Malz, wird ein Kochstück ohne Malz nicht so Süß, aber es geht trotzdem.
Am Ende Kochstück bis 32°C abkühlen.
Flüssige Hefe Stufe 1
Malzstück in 2 Hälften teilen. Eine Hälfte geht in den Kühlschrank und die andere wird mit dem Anstellgut verrührt. Das Anstellgut soll 5-6% der Malzstückmenge betragen.
5-6 g ASG
105 g Malzstück
Stehzeit 11 Std.
Temperatur 29°C
Auf die Temperatur muss man sehr genau achten. Da die erste Stufe 11 Stunden dauert, es macht Sinn sie in der Nacht zu führen. Als ASG nehme ich Roggensauerteig aus dem Kühlschrank.
Nach 8-9 Stunden bilden sich schon die Blasen:
Gut umrühren und die restlichen 3 Stunden nachgaren lassen.
Flüssige Hefe Stufe 2
Das restliche Malzstück aus dem Kühlschrank bis 30°C erwärmen und mit der Stufe 1 zusammenmischen. Stehzeit 4 Stunden bei 29°C.
Nach 2 Stunden verdoppelt sich das Volumen und es macht Sinn die flüssige Hefe noch Mal umzurühren damit Sie ausreichend mit Sauerstoff gesättigt wird.
Nach vollen 4 Stunden ist "flüssige Hefe" fertig und Einsatzbereit. Sie hat ein sehr angenehmes Aroma und ist Süß mit einer kleinen Sauernote im Geschmack.
Vorteig
In dem Vorteig wird 50-55% von gesamt Mehlmenge versäuert. TA ca 167.Flüssige Hefe
Weizenmehl Typ 1050 - 500g
Wasser (40°C) - 220 ml
Stehzeit - 3 Std. 20 min
Temperatur - 28-29°C
Teig
VorteigWeizenmehl Typ 1050 - 450g
Wasser (40-45°C) - 210 ml
Salz - 20g
Stehzeit - 1 Std. 15 min
Temperatur - 29°C
Formen und Backen
Den Teig ziehen und falten und zum runden Laib formen. Ruhezeit 5-10 min.
Danach zum langen Laib formen. Stückgare 1 Std. bei 32°C.
Den Laib lang anschneiden und mit Dampf bei abfallender Temperatur von 250°C bis 180°C ca. 45 Min. backen.
Das Brot hat ein ausgeprägtes Brotaroma und ist kaum sauer. Die Krumme ist etwas dunkler als beim Hefebrot, hat aber eine sehr gute Porung. Die Kruste richt einfach wunderbar.
Auch interessant
Die hier vorgestellte Methode ist eine sehr vereinfachte Variante von der Methode "flüssige Hefe" welche im Jahr 1940 hergestellt wurde. Der Hauptunterschied liegt darin, dass anstatt ASG separat geführte Hefepilze und Milchsäurebakterien benutzt wurden . Die hat man zuerst auf Gersten Maische unabhängig von einander wachsen lassen. Einmal gestartete "flüssige Hefe" wurde Monatelang ununterbrochen geführt in dem man ein Teil davon für den Vorteig abgenommen hat und den Rest mit dem neuen Malzstück gefüttert hat. Diese Methode findet in Russland keinen Einsatz mehr.
Heutzutage wird die flüssige Hefe folgendermaßen erstellt: Ein Malzkochstück wird mit L. Delbrückii gezüchtet und bei 48-52°C versäuert. Danach wird es bis 30°C abgekühlt und die Hefepilze werden dazu gegeben. Die Hefepilze vermehren sich im Süß-sauern Umfeld rapide. Eine solche "flüssige Hefe" hat den Vorteil das sie noch weniger zur der Teigseurung beiträgt, da die L. Dellbrückii bei 30°C nicht mehr aktiv sind. Das ist besonderes wichtig bei den Broten aus dem Mehl Typ 550.
Ich habe das Brot mit großen Poren gebacken. In Russland würde es als Defekt gelten! Die russischen Brote sollen eine kleine gleichmäßige Porung haben.